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03/2017 – Newsletter der Dr. Lutz Gesellschaft für Pensionsmanagement mbH

Betriebsrentenstärkungsgesetz

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) ist beschlossen, auch der Bundesrat hat als letzte Instanz am 07.07.2017 zugestimmt. Mit Inkrafttreten des BRSG zum 01.01.2018 sind nun auch Tarifrenten ohne Garantien möglich. Durch das Gesetz soll insbesondere der Verbreitungsgrad der bAV, und zwar vor allem in kleinen und mittleren Unter-nehmen, erhöht werden. Der Schwerpunkt der Änderungen und Neuerungen liegt im Bereich der Entgeltumwandlung.

1) Reine Beitragszusage (Sozialpartnermodell) 

Nach bisherigem Recht trifft den Arbeitgeber – unabhängig von der gewählten Gestaltungsform – eine Einstandspflicht für die Erbringung der Versorgungsleistung (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG), also auch für mittelbare Versorgungszusagen über externe Versorgungsträger. Zum 01.01.2018 wird nun die reine Beitragszusage ohne Garantien ein-geführt, bei welcher der Arbeitgeber lediglich für die Zahlung der Beiträge an eine Versorgungseinrichtung, nicht aber für die Leistungserbringung haftet („pay and forget“).

Die neue Zusageform kann in den Gestaltungsformen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds umgesetzt werden. Die Leistungsart muss zwingend eine Rente sein, eine Kapitalleistung ist ausgeschlossen. Die Anwartschaft einer reinen Beitragszusage ist sofort gesetzlich unverfallbar. Sie ist nicht übertragbar, beleihbar oder veräußerbar.

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG n.F. liegt künftig auch betriebliche Altersversorgung (bAV) vor, wenn der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Basis einer tariflichen Regelung in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung (öffentlicher Dienst) verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der bAV an eine Versorgungseinrichtung nach § 22 BetrAVG n.F. zu zahlen. Auf solche Zusagen werden verschiedene Regelungen des Betriebsrentengesetzes für unanwendbar erklärt: § 1 Abs. 1 Satz 3 (Haftung des Arbeitgebers, s.o.), § 1a Abs. 4 Satz 2 (Haftung bei AN-Eigenbeiträgen), § 1b bis 6 (Unverfallbarkeit dem Grunde und der Höhe nach, Abfindung, Übertragung, Auszehrung, vorzeitige Altersleistung), §§ 7 – 14 (Insolvenzsicherungspflicht) und § 16 (Anpassung). §§ 21 bis 25 BetrAVG n.F. enthalten Regelungen zur Durchführung der Beitragszusage. Nach § 21 müssen sich die Tarifvertragsparteien an der Durchführung und Steuerung beteiligen.

Die Sozialpartner können entweder eigene Einrichtungen nach § 4 TVG schaffen oder auf bestehende Versorgungsträger zurückgreifen. In diesem Fall müssen sie aber auf die Steuerung und Durchführung der Versorgungseinrichtung einwirken können (z.B. durch Vertretung der Sozialpartner im Aufsichtsrat der Versorgungseinrichtung).

Für den Arbeitnehmer bedeutet die Beitragszusage die Chance auf eine höhere Kapitalrendite der eingezahlten Beiträge im Vergleich zu traditionellen versicherungsförmigen Durchführungswegen, bei denen ein bestimmter Anteil des Beitrags für die Garantien verwendet werden muss. Zur Absicherung der Leistungsfähigkeit der Versorgungseinrichtungen soll im Tarifvertrag ein Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers vereinbart werden (§ 23 Abs. 1).

Verpflichtend muss außerdem im Tarifvertrag geregelt werden, dass bei Entgeltumwandlung ein Arbeitgeberzuschuss von mindestens 15% des umgewandelten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 SvEV sozialversicherungsfreien Entgelts an die Versorgungseinrichtung geleistet wird.

Um die reine Beitragszusage auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber (die große Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen) zu eröffnen, können diese die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelungen individualrechtlich vereinbaren (§ 24). Dies ist aber davon abhängig, dass die Versorgungseinrichtung zustimmt. Die Tarifvertragspartner sind auch aufgefordert, bereits bestehende bAV-Systeme in Unternehmen bei neuen Tarifverträgen ab 2018 angemessen zu berücksichtigen.

Ein Arbeitnehmer mit reiner Beitragszusage hat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Recht, die Versorgung mit eigenen Beiträgen fortzusetzen sowie innerhalb eines Jahres das gebildete Versorgungskapital auf die Versorgungseinrichtung seines neuen Arbeitgebers – falls es sich auch hier um eine reine Beitragszusage handelt – zu übertragen. Möglich ist auch die Übertragung des Versorgungskapitals bei Arbeitgeberwechsel aus der „alten“ bAV-Welt in das Sozialpartnermodell (aber nicht umgekehrt).

Bislang war die Entgeltumwandlung von Tarifentgelt nur zulässig, soweit dies durch den Tarifvertrag vorgesehen und zugelassen war. Künftig kann der Tarifvertrag auch die automatische Entgeltumwandlung regeln, gegen die der Arbeitnehmer aber ein Widerrufsrecht hat (opting-out). Das Angebot des Arbeitgebers zur Entgeltumwandlung muss schriftlich und mindestens 3 Monate vor der ersten Gehaltsumwandlung unterbreitet werden. Das Angebot muss klar definieren, welche Teile der Vergütung umgewandelt werden sollen, die Höhe des Entgeltumwandlungsbetrags nennen und den Arbeitnehmer informieren, dass er innerhalb einer Frist von mindestens einem Monat nach Zugang des Angebots ohne Angabe von Gründen widersprechen kann.

2) Ausbau der steuerlichen Förderung

Lohnsteuerfreie Dotierungen gem. § 3 Nr. 63 EStG

Der lohnsteuerfreie Rahmen für Beiträge an eine Direktversicherung, Pensionskasse oder einen Pensionsfonds wird von 4% auf 8% der Beitragsbemessungsgrenze in der Gesetzlichen Rentenversicherung West (BBG) erhöht. Gleichzeitig entfällt aber der bisherige Aufstockungsbetrag von € 1.800 und damit die Unterscheidung nach Alt- und Neuzusagen vor/nach 01.01.2005. Pauschalbesteuerte Beiträge an Direktversicherungen und Pensionskassen nach § 40b EStG a.F. werden mit ihrem tatsächlichen Zahlbetrag auf den Höchstbetrag gem. § 3 Nr. 63 EStG angerechnet (Wegfall des „Alles- oder Nichts-Prinzips“).

Beispiel:
Der Arbeitnehmer hat eine pauschalbesteuerte Direktversicherung (DV. § 40b EStG a.F.) mit einem Jahresbeitrag von € 600. Bislang konnten zusätzlich 4% der BBG (2017: 4% von € 76.200), also € 3.048 lohnsteuerfrei nach § 3 Nr. 63 EStG aufgewendet werden. Der Aufstockungsbetrag in Höhe von € 1.800 konnte wegen der DV nicht genutzt werden.
Ab 2018 können dagegen 8% BBG abzüglich € 600, also € 5.496 zusätzlich zur DV steuerfrei aufgewendet werden (BBG-Wert 2017).

Sozialversicherungsrechtlich bleiben allerdings weiterhin nur 4% der BBG abgabenfrei.

Die Vervielfältigungsregelung bei Ausscheiden wird vereinfacht: lohnsteuerfrei können bis zu 4% der BBG multipliziert mit der Anzahl der Kalenderjahre des Dienstverhältnisses, maximal 10 Jahre, eingezahlt werden.

Beispiel:
Der Arbeitnehmer scheidet 2018 nach 12 Jahren aus der Firma aus. Er erhält eine Abfindung von € 40.000, die er zur Aufstockung seiner bAV nutzen will.
Die Abfindung kann in Höhe von € 30.480 (4% von € 76.200 x 10 Jahre) zum lohsteuerfreien Ausbau der bAV verwendet werden. Die Differenz in Höhe von € 9.520 muss versteuert werden. Die gesamte Abfindung ist sozialversicherungsfrei. 

Bei ruhenden Arbeitsverhältnissen können in Zukunft 8% der BBG, multipliziert mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Arbeitsverhältnis geruht hat, wiederum maximal 10 Jahre, lohnsteuerfrei nachentrichtet werden.

Arbeitgeberzuschuss von 15% bei Entgeltumwandlung 

Der Arbeitgeber wird bei neuen Entgeltumwandlungsvereinbarungen ab 2019 verpflichtet, einen pauschalen Zuschuss in Höhe von 15% des umgewandelten sozialversicherungsfreien Entgelts an die durchführende Versorgungseinrichtung zu leisten (dieser wird auf den Höchstbetrag gem. § 3 Nr. 63 EStG angerechnet – im Gegensatz zu dem Sicherungsbeitrag der reinen Beitrags-zusage). Bei reinen Beitragszusagen gilt die Zuschusspflicht aber schon ab 2018.

Bei allen Bestands-Entgeltumwandlungsvereinbarungen und solchen, die bis zum 31.12.2017 vereinbart werden, gilt die Zuschusspflicht in Höhe von 15% der sozialversicherungsfreien Entgeltumwandlungsbeträge erst ab 2022.

Für den Arbeitgeberzuschuss gilt die sofortige Unverfallbarkeit. Der Arbeitgeberzuschuss ist aber mit Ausnahme der reinen Beitragszusage tarifdispositiv.

Hinweis: Gewährt der Arbeitgeber heute schon Zuschüsse zur Entgeltumwandlung, so sollte eine Anrechnungsklausel für künftige Pflichtzuschüsse in der bestehenden Vereinbarung ergänzt werden.

Wichtige Ausnahme: Die Zuschusspflicht des Arbeitgebers für die Entgeltumwandlung gilt nicht für die Durchführungswege unmittelbare Pensionszusage (Bildung von Pensionsrückstellungen) und Unterstützungskasse.

Förderbeitrag für die bAV von Geringverdienern (§ 100 EStG)

Als Geringverdiener gilt ein Arbeitnehmer mit bis zu € 2.200 Bruttoeinkommen. Zur Förderung der bAV für Geringverdiener werden neue Anreize für den Auf- und Ausbau einer arbeitgeberfinanzierten bAV gesetzt. Zahlt der Arbeitgeber für eine zusätzliche bAV mindestens € 240 bis € 480 im Kalenderjahr in eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds, so kann er 30% des Beitrags von der Lohnsteuer des Arbeitnehmers einbehalten. Der Förderbetrag beträgt somit € 72 bis maximal € 144 je Geringverdiener im Kalenderjahr. Die Beiträge sind bis zur Höhe von € 480 jährlich steuerfrei und zusammen mit den Beiträgen nach § 3 Nr. 63 EStG bis zur Höhe von insgesamt 4% der BBG sozialversicherungsfrei.

Bei Arbeitgebern, die schon im Jahre 2016 eine bAV für Geringverdiener gewährt haben, ist der Förderbetrag aber auf den Betrag beschränkt, den der Arbeitgeber über den bisher geleisteten Beitrag hinaus zahlt.

Der Grenzbetrag für das Geringverdiener-Einkommen ist leider nicht dynamisch, er wurde mit € 2.200 festgeschrieben. Sonstige Bezüge (z.B. Weihnachtsgeld), steuerfreie Lohnbestandteile (z.B. lohnsteuerfreie Zuschläge für Sonntags- Feiertags- und Nachtarbeit) und Sachbezüge, die unter die € 44-Freigrenze fallen oder pauschal besteuerter Arbeitslohn (z.B. §§ 40, 40a und 40b EStG) bleiben bei der Prüfung der Geringverdienergrenze unberücksichtigt.

Beispiel1:
Der Arbeitnehmer hat einen laufenden monatlichen Arbeitslohn von € 2.200, außerdem erhält er ein Weihnachtsgeld in gleicher Höhe. Der Jahresarbeitslohn beträgt somit € 28.600.
Der Arbeitnehmer ist Geringverdiener, da der laufende Arbeitslohn € 2.200 nicht übersteigert.

Beispiel 2:
Der Arbeitnehmer hat einen laufenden Arbeitslohn von € 2.050, zusätzlich erhält er monatlich steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in Höhe von  € 220.
Der Arbeitnehmer ist Geringverdiener, da die steuerfreien Zuschläge nicht berücksichtigt werden, auch wenn sie laufend gezahlt werden.

Bei Teilzeitbeschäftigten und geringfügig Beschäftigten, bei denen die Lohnsteuer pauschal erhoben wird, gibt es keinen laufenden Arbeitslohn im lohnsteuerrechtlichen Sinn. Hier wird daher auf das pauschal besteuerte Arbeitsentgelt abgestellt (sonstige Bezüge wie z.B. Weihnachtsgeld werden wiederum nicht berücksichtigt).

Der Förderbeitrag kann nur für Geringverdiener mit erstem Arbeitsverhältnis, also Steuerklasse I-V in Anspruch genommen werden. Außerdem muss es sich um einen zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag handeln, Gehaltsumwandlungsbeiträge sind also nicht förderfähig.

Beispiel 3:
Der Arbeitgeber erhöht das laufende Einkommen von € 2.000 um € 40. Der Arbeitnehmer vereinbart einen Gehaltsverzicht zugunsten einer Direktversicherung in Höhe von € 40.
Die bAV wird nicht gefördert.

Bei im Jahr 2016 bereits bestehenden Vereinbarungen zur kapitalgedeckten bAV (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) kann der Arbeitgeber den steuerlichen Förderbetrag nicht in Anspruch nehmen, ohne dass zusätzliche Beiträge mindestens in Höhe des staatlichen Zuschusses für die bAV zur Verfügung gestellt werden.

Beispiel 4:
Der Arbeitgeber zahlt seit mehreren Jahren für einen Geringverdiener eine jährliche Prämie von € 200 in eine Pensionskasse. Er erhöht die Prämie ab 2018 auf € 240, um den Mindestbeitrag für die Förderung (€ 240 bis € 480) zu erreichen.
Der Förderbetrag beträgt grundsätzlich 30% von € 240 gleich € 72, wegen der gesetzlich vorgegebenen Begrenzung (Erhöhungsbetrag gegenüber 2016) werden aber nur € 40 Förderung gewährt.

Dagegen ist bei einer erst 2017 eingeführten bAV der gesamte Arbeitgeberbeitrag ab 2018 förderfähig. Entsprechendes gilt für Beitragserhöhungen im Jahr 2017 gegenüber 2016.

Scheidet der Arbeitnehmer vor Ablauf der Unverfallbarkeitsfrist von drei Jahren Zusagedauer (neue Unverfallbarkeitsfrist für Zusagen ab 2018) aus dem Unternehmen aus, so verfällt seine Anwartschaft auf Leistungen aus der geförderten betrieblichen Altersversorgung. Wenn sich hieraus für den Arbeitgeber gegenüber der Versorgungseinrichtung ein Rückzahlungsanspruch (Rückkaufswert) ergibt, sind die entsprechenden Förderbeträge zur bAV über die Lohnsteueranmeldung zurückzuzahlen. Die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers entfällt aber, wenn es trotz Verfalls der Anwartschaft nicht zu Rückflüssen von der Versorgungsleistung kommt (Rückkaufswert = Null bzw. kein Rückkaufswert bei Invalidität oder Hinterbliebenenzusagen).

Die Inanspruchnahme des Förderbetrags setzt zudem voraus, dass Vertriebskosten beim Abschluss des Vertrags nicht zu Lasten der ersten Beiträge einbehalten werden. Die Vertriebskosten dürfen nur als fester Anteil der laufenden Beiträge belastet werden (§ 100 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 EStG).

Keine Doppelverbeitragung mehr bei bAV-Riesterverträgen

Leistungen aus bAV-Riesterverträgen werden in der Leistungsphase nicht mehr mit gesetzlichen Kranken- und Pflegebeiträgen belastet. Dies trifft auch für bestehende Verträge zu.

Die jährliche Grundzulage wird auf € 175 erhöht (aktuell € 154). Daneben werden die Kinderzulagen in unveränderter Höhe weiter gewährt. Auch das Günstigerprinzip bzgl. des steuerlichen Sonderausgabenabzugs bleibt unverändert bestehen.

Freibetrag bei Grundsicherung

Für eine zusätzliche Altersversorgung (bAV, Riester, Rürup) wird ein Freibetrag eingeräumt. Es gilt für Personen, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder eine Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung erhalten. Der Sockelfreibetrag beträgt monatlich € 100. Darüber hinaus wird ein erweiterter Freibetrag von 30% der zusätzlichen Altersversorgung oberhalb von € 100 gewährt. Sockel- und erweiterter Freibetrag sind aber auf 50% der Regelbedarfsstufe 1 begrenzt. Aktuell wären damit € 204,50 monatlich freiwillige Zusatzrente anrechnungsfrei.

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